Meine Tochter Stephanie erkrankte mit 39 Jahren an einer seltenen Krebsart. Die nieder-schmetternde Prognose zum Verlauf der Krankheit war eine noch verbleibende Lebenszeit von ein bis maximal fünf Jahren. Mutig und hoffnungsvoll wollte sie die fünf Jahre „angehen“ und kämpfte trotz ihrer durch
Chemotherapie geschwächten Konstitution gegen den Krebs. „Mama, ich will noch nicht sterben, ich möchte bei meinem Sohn, meinem Mann und bei euch bleiben“.
Ihr Wunsch war, zu Hause von uns gepflegt zu werden und zu sterben. Die ganze Familie hat ihr das gemeinsam ermöglicht. Sechs Wochen nach ihrem 40igsten Geburtstag schlief sie in den Armen ihres Mannes ein. Sie war ein liebenswerter, mutiger Mensch mit einem großen Herzen und viel Humor.
Die ersten Tage nach der Beerdigung liefen an mir vorbei. Ich fühlte mich leer und wie betäubt, bevor der Schmerz und die Trauer mich dann erreichten. Nie zuvor habe ich ein solches Gefühl von Verlust und Schmerz erlebt. Es war so, als ob ein Teil von mir gestorben wäre. Die Welt drehte sich weiter, aber ohne mich.
Ich wollte gemeinsam mit anderen Menschen trauern und fühlen, dass ich nicht alleine war. So ging ich in eine Trauergruppe, in der allerdings niemand war, der ein Kind verloren hatte. Es kam keine Gemeinsamkeit auf, ich konnte mich nicht auf den Verlust des Ehepartners einstellen und sie konnten sich nicht auf meinen Verlust einstellen. Ich habe diese Gruppe dann wieder verlassen.
Ca. ein halbes Jahr nach Steffis Tod hörte ich von der Trauergruppe „Verwaiste Eltern“. Ich hoffte, hier „Gleichgesinnte“ zu finden und über mein Kind reden zu können. Ich wurde sehr liebevoll aufgenommen. Die beiden Frauen, welche die Gruppe leiten, bewiesen ein großes Einfühlungsvermögen und gaben mir das Gefühl, umsorgt und geborgen zu sein. Sehr schön fand ich das Ritual mit der Kerze und dem Namen unserer Kinder. Dazu stellte jeder, wenn er wollte, ein Bild seines verstorbenen Kindes auf. Obwohl jeder bzw. jede ihre eigene Geschichte hatte, einte uns doch das Gefühl der Trauer um unsere Kinder. Es gab viele Tränen aber auch Momente der Freude und viele schöne Erinnerungen.
Der Abschied eines Ehepaares, welches die Trauergruppe nach fast zwei Jahren verließ, hat einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Denn ich konnte spüren, dass sich nach einiger Zeit doch etwas verändert hatte. Es gab noch die Trauer, aber auch wieder das Leben. Ein anderes als zuvor, aber auch die Erkenntnis, mit dem Verlust leben zu können. Wichtig und heilsam empfinde ich nach wie vor, über meine Tochter mit anderen Menschen reden zu können, denn ich vermisse sie jeden Tag. Dabei muss man lernen zu akzeptieren, dass für die meisten Menschen, die kein Kind verloren haben, das Leben doch relativ schnell weiter geht.
Marianne Görner-Hohnrath